Die 9 Eskalationsstufen | Realitätsnahes Beispiel

Konfliktdynamiken in der Praxis anhand der 9 Eskalationsstufen nach Glasl

Übersicht

Die 9 Eskalationsstufen | Phase 1 | Win/Win

Eskalationsstufe 1 - Verhärtung

Die erste der neun Eskalationsstufen nennt Friedrich Glasl „Verhärtung“.

Im alltäglichen Leben ist es normal, dass Spannungen zwischen Menschen auftreten. Laut Glasl können diese Spannungen bereits einen Konflikt signalisieren. Verschiedene Meinungen existieren, und gelegentlich prallen diese aufeinander. Im Gesicht, in den Gesten und an der Körperhaltung lassen sich von Dritten leicht Ärger und Ungeduld erkennen.

Die Beteiligten selbst nehmen dies jedoch noch nicht als Konflikt wahr. Wenn allerdings die Spannung zu groß wird, verhärten sich die Positionen der Einzelnen, und die erste der Eskalationsstufen ist erreicht.
Alle denken, dass die Spannungen durch Gespräche lösbar sind.

Beispiel: In unserem Beispiel betrachten wir ein Team bestehend aus zwei Personen, die in einer pädagogischen Einrichtung zusammenarbeiten. Die Frau ist erst seit Kurzem in dieser Einrichtung tätig, während der Mann bereits acht Jahre dort arbeitet. Ihre Persönlichkeiten sind sehr unterschiedlich, ebenso wie ihr pädagogischer Ansatz. Dies führt zunehmend zu gereizten Bemerkungen zwischen ihnen.

Eskalationsstufe 2 - Polarisation & Debatte

Die zweite Stufe wird als die Stufe der „Debatte“ bezeichnet. Hierbei ist das Argumentieren das zentrale Element. Der Versuch, sich durch Debatten und Diskussionen zu einigen, wandelt sich durch rechthaberisches Verhalten in einen Streit. In diesem Moment wird das Gegenüber mit seiner Meinung entweder nicht mehr oder nur noch unzureichend wahrgenommen. Es erfolgt eine Kategorisierung in Begriffe wie gut oder schlecht, schwarz oder weiß. Die andere Konfliktpartei beginnt, sich langsam in einen Gegner zu verwandeln, den es zu besiegen gilt.

Kennzeichnend für diese Phase sind Schwarz-Weiß-Denken und rechthaberisches Verhalten; es wird auf Fehler der anderen Seite hingewiesen. Die Beteiligten reden zur Tribüne und versuchen so, über Dritte Punkte zu gewinnen.

Beispiel: Das Team führt häufig und leidenschaftlich Diskussionen über die richtige Arbeitsweise. Jede Person versucht, die anderen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. Die Diskussionen werden zunehmend angespannter, da anscheinend keine Seite bereit ist, die Perspektive der anderen Seite zu verstehen oder sich überzeugen zu lassen. Sie weist auf Fehler in seiner Argumentation hin. Er wiederum hält längere Reden, als ob er sich an eine Zuschauertribüne wenden würde. Beide versuchen, durch das Einbeziehen Dritter Punkte zu machen.

Eskalationsstufe 3 - Taten statt Worte

Die dritte der Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl wird mit „Taten statt Worte“ bezeichnet. In dieser Phase versuchen die Streitenden, sich gegenseitig unter Druck zu setzen. Argumente verlieren zunehmend an Bedeutung, und die sachliche Ebene wird immer mehr verlassen.

Diese Stufe markiert das Ende der ersten Phase und den Übergang zur nächsten der drei Stufen. Dieser Übergang ist durch eine demonstrative Verschärfung der Auseinandersetzung gekennzeichnet, zu der sich beide Parteien legitimiert fühlen.

Beispiel: Da Argumente anscheinend nichts fruchten, wächst das Misstrauen und das Gespräch erscheint beiden Seiten nicht mehr sinnvoll.

Die Frau, genervt von der Situation, ergreift Maßnahmen: Sie arbeitet intensiv mit einem Schüler, der eigentlich zur Gruppe des Mannes gehört, um zu beweisen, dass ihr pädagogischer Ansatz erfolgreicher ist. Der Mann hingegen verweigert demonstrativ seine Unterstützung bei einem Ausflug, den er als unsinnig ansieht, was zur Folge hat, dass der Ausflug nicht stattfinden kann.

Die 9 Eskalationsstufen | Phase 2 | Win/Lose

Eskalationsstufe 4 - Sorge ums Image

In dieser neuen Phase hat eine Seite bereits verloren, da beide Seiten sich gegenseitig vor Anderen abwerten. Gerüchte über Unfähigkeit und Inkompetenz werden gezielt gestreut. Die Streitenden können aneinander kein gutes Haar mehr lassen und erzählen Geschichten, die die andere Seite in schlechtem Licht erscheinen lassen. Jede Seite sucht nach Verstärkung und Anhängerschaft und nutzt Manipulation, um ihre eigene Gruppe zu vergrößern. Häufig wird verdeckt gereizt, gestichelt und provoziert.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich ab diesem Zeitpunkt das Ziel der Streitenden ändert. Es geht nun nicht mehr darum, den Konflikt zu lösen, sondern darum, zu gewinnen. Dadurch rückt eine sachliche Klärung in den Hintergrund und wird unwichtig.

Beispiel: Beide beginnen, sich intensiv mit ihren Kollegen und Kolleginnen auszutauschen. Der Mann findet aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in der Organisation leicht Verbündete. Die Frau hingegen findet ihre Unterstützung außerhalb der Organisation. Beide fühlen sich erleichtert, da auch Außenstehende ihre Sichtweise bestätigen und zustimmen, wie problematisch die jeweils andere Konfliktpartei ist.

Eskalationsstufe 5 - Gesichtsverlust

Die fünfte Stufe in Glasls Eskalationsmodell wird als „Gesichtsverlust“ bezeichnet. In dieser Phase versuchen die Konfliktparteien, sich in Anwesenheit anderer, insbesondere von Vorgesetzten, zu diffamieren und abzuwerten.

Es kommt zu Beschimpfungen, persönlichen Angriffen und ehrenrührigen Beschuldigungen in der Öffentlichkeit. Das Ziel dabei ist es, das Gegenüber zu beschämen und letztendlich zu erreichen, dass diese Person ihr Gesicht verliert und aus der Gemeinschaft ausgestoßen oder verbannt wird.

In diesem Stadium ist das Vertrauen vollständig zerstört. Dieses respektlose Verhalten erzeugt Rachegelüste bei den Gekränkten. Beide Konfliktparteien sind sich nicht mehr bewusst, wie ihr Streit auf Außenstehende wirkt.

Beispiel: Da Sachargumente nicht mehr fruchten, verbreitet der Mann innerhalb der Organisation das Gerücht, die Frau sei nervlich nicht belastbar. Er verfolgt damit das Ziel, ihre Position im Team zu schwächen. Vor Anderen sagt er beiseite gesprochen: „Mal sehen, ob sie das überhaupt schafft.“ Diesen halblauten Satz haben alle gehört. Die Frau guckt erschrocken, sagt aber nichts. Ihr Ruf ist unwidersprochen zerstört.

Eskalationsstufe 6 - Drohstrategien

In der sechsten Stufe des Eskalationsmodells nach Glasl versuchen beide Parteien, die Gegenseite durch Drohungen aufzuhalten und versuchen, vollständige Kontrolle mittels Ultimaten zu erlangen. Dieses Vorgehen scheitert jedoch oft, wenn die Konfliktparteien gleich stark sind, und führt zu hohem Stress. Die Anwendung von Drohungen beschleunigt die Eskalation des Konflikts und führt schnell in die nächste Phase der Eskalation. Für Außenstehende wird der Machtkampf zwischen den Parteien nun offenbar.

Beispiel: Die Frau konfrontiert den Mann mit dem Vorwurf der Inkompetenz, weil er in einem Moment der Hilflosigkeit Jugendliche angeschrien hat und das auch noch verteidigt hat. Sie droht ihm damit, sich mit einer Beschwerde an den Vorgesetzten zu wenden.

Die 9 Eskalationsstufen | Phase 3 | Lose/Lose

Eskalationsstufe 7 - Begrenzte Vernichtungsschläge

In der siebten Stufe, die Glasl als „Begrenzte Vernichtung“ bezeichnet, wird die andere Partei nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern eher wie ein wertloses Objekt behandelt. Die ursprünglichen Forderungen und Ziele des Konflikts treten in den Hintergrund, während direkte Schädigung der anderen Seite zum Hauptanliegen wird. Beide Parteien denken, sie reagierten nur auf das Verhalten des Gegenübers, aber tatsächlich agieren beide als Täter:innen.

In diesem Stadium des Konflikts wird ein geringer eigener Schaden als „Gewinn“ angesehen, wenn es gelingt, der anderen Seite einen größeren Schaden zuzufügen. Die Eskalation hat nun einen Punkt erreicht, an dem es scheinbar kein Zurück mehr gibt.

Beispiel: Im Rahmen eines Sommerfestes der pädagogischen Einrichtung ist die Frau für die Vorbereitung einer Ausstellung von Bastelarbeiten der Jugendlichen zuständig, die dort präsentiert werden sollen. Der Mann sorgt am Vorabend dafür, dass ein Teil dieser Arbeiten verschwindet.

Eskalationsstufe 8 - Zersplitterung

Die achte Eskalationsstufe ist durch eine Zersplitterung des Systems gekennzeichnet. Das Ziel ist es, das Netzwerk der anderen Konfliktpartei komplett aufzulösen, um sie zu isolieren. Es wird versucht, Druck auf das Netzwerk des jeweils anderen auszuüben.

In dieser Phase streben die Konfliktparteien danach, das Leben des Gegenübers vollständig zu zerstören. Die Haltung kann durch das Motto „Ich mache kaputt, was nur geht!“ beschrieben werden. Die Schäden, die in dieser Phase entstehen, sind oft irreparabel. Schwere Körperverletzung, schwere Krankheiten als Folge des Stresses, hoher Geldverlust und andere Sachschäden werden angestrebt, sodass die andere Seite nicht mehr in der Lage ist, ihr Leben wie bisher fortzuführen.

Beispiel: Während des Festes spricht die Frau mit Eltern und Kollegen. Sie behauptet, der Mann sei aus moralischen Gründen nicht länger in der Einrichtung tragbar. Zudem verbreitet sie das Gerücht, er konsumiere häufig zu viel Alkohol. Infolgedessen muss der Mann ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten führen. Nach diesem Gespräch bekommt er eine Abmahnung, denn als er das Büro voller Ärger verlässt, kündigt er aus Rache seinen Krankenstand an. Daraufhin kann ihm der Chef nur noch eine Kündigung aussprechen.

Eskalationsstufe 9 - Gemeinsam in den Abgrund

Die letzte Stufe von Glasls Eskalationsmodell wird als „Gemeinsam in den Abgrund“ bezeichnet. In dieser Phase sind die Konfliktparteien bereit, ihren eigenen Totalschaden oder sogar ihre eigene Vernichtung in Kauf zu nehmen, um die andere Seite zu besiegen. Die Kämpfenden sehen keinen Weg zurück und steuern sich selbst und andere fanatisch in den Untergang.

Alle Beteiligten sind bereit, sogar nachhaltigen Schaden an ihren Nachkommen zu verursachen. In dieser Stufe gibt es keine Selbstbeherrschung und kein rationales Handeln mehr. Das eigene Leben wird vollständig dem Kampf gewidmet.

Beispiel: Der Mann erleidet aufgrund des Konflikts einen Burn-Out und muss für eine längere Zeit zur Reha. Die Frau erhält von ihrem Vorgesetzten die Empfehlung, die Einrichtung zu verlassen. Trotz fehlender Alternativen kündigt sie ihre Stelle. Beide sind so sehr in ihren Konflikt verwickelt, dass sie weder mahnende noch beratende Stimmen wahrnehmen. Die Situation wirkt für beide aussichtslos.

Die Gesichter hinter den Eskalationsstufen​

Kerstin Lück | Tessa Bertram Mediatorinnen und Trainerinnen im Bereich Kommunikation und Teambildung seit 20 Jahren

Komplexe Konflikttheorie verständlich machen und vermitteln:

Dafür setzen wir uns als Mediatorinnen und Trainerinnen im Bereich Kommunikation und Teambildung seit 20 Jahren und über 1000 mit Erfolg durchgeführten Workshops, Seminaren, Mediationen und Coachings ein.

Die Eskalationsstufen für Erwachsene wurden von Anna Gusella illustriert.

Die Eskalationsstufen eignen sich perfekt für...

… Trainer*innen und Mediator*innen, Coaches und Supervisor*innen, die einen nachhaltigen Wissenstransfer ermöglichen wollen und gemeinsam im Tempo der Teilnehmenden die Konflikttheorie entwickeln wollen.

Häufig gestellte Fragen:

Die 10 Bildtafeln sind 4-farbig auf 450g hochwertigem Designkarton mit beidseitiger Folienkaschierung matt gedruckt.

Nein, allerdings ist es hilfreich, ein bis zwei Konflikte einmal durch die Brille der Eskalationsstufen angeschaut zu haben und, um auf Nachfragen antworten zu können, ein weiteres Beispiel für jede Stufe im Kopf zu haben.

Wir verstehen zwar das Anliegen, wollen aber unser geistiges Eigentum nicht auf diesem Weg veröffentlichen. Es liegt auch ein Copyright auf unseren Produkten. Eine gewerbliche Vervielfältigung ist nicht gestattet. Die Weitergabe und Verbreitung unseres Materials ist urheberechtlich untersagt. Die gilt insbesondere für soziale Netzwerke, Clouds und Websiten. Sie dürfen das Material gern in Ihrem Unterricht/Coachings/Trainings oder Mediationen verwenden.

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